Sony Center • 2024 reloaded?

Sony Center “reloaded” oder?

Lange Zeit habe ich nichts über Projekte geschrieben. Das liegt einfach daran, dass meine Projekte nicht mehr so spektakulär sind, sondern nur noch “klein und fein”. Und sie gefallen mir aber deutlich besser, als meine Projektlebenszeiten in den 90er und 00er Jahren. Es waren große Projekte, wenn nicht die größten Projekte dieser Art seiner Zeit in Deutschland. Es wird Zeit, sich noch einmal umzudrehen und nachzuschauen, was daraus geworden ist.

2024 – wieder Baucontainer am Sony Center (“Center Potsdamer Platz”)

 

Vorab eine kleine Geschichte zur U55

Eines Tages ende der 90er Jahre schlenderte ich in einer Pause mittags neben meiner Arbeitsstätte “Lehrter Bahnhof” (heute Hauptbahnhof) in Richtung Kanzleramt. An einer unscheinbaren Treppe, die in den Untergrund führte, wurde ich neugierig und ging hinab. Ein Sicherheitsmann versperrte den Weg aber mein Ausweis als Projektmanager funktionierte und ich gab an, dass ich etwas inspizieren wollte. nach einer Bautür landete ich in einem Bahnhof im Rohbauzustand. Ich staunte nicht schlecht und recherchierte, dass dies der U-Bahnhof “Reichstag” (vormals “Kanzleramt”, heute “Bundestag”) sein musste. In dem Baustellengewirr des Lehrter Bahnhofs zu dieser Zeit hatte man nicht immer eine gute Orientierung und war schon froh, wenn man sich nicht unterirdisch verirrte. Ich stellte auch fest, dass dieser Bau bereits viele Jahre so existierte und er sollte sich aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten in den nächsten 10 Jahren auch kaum verändern. Da Berlin damals wie heute in finanziellen Schwierigkeiten, hatte aber große Ideen und musste das Geld “woanders” herbekommen. Der Bund hatte es also vorgestreckt – aus irgendwelchen anderen Steuergeldern. Da der Bau nicht fertig wurde, wollte der Bund das Geld zurück. Berliner Finanz”akrobaten” stellten dann fest, dass es “billiger” sein, den Bahnhof fertig zu stellen und ein kurzes Stück U-Bahn in Betrieb zu nehmen, statt das Geld zurückzugeben. Also wurde die U55 in Betrieb genommen, ein überteuertes und sinnfreies Unterfangen, welches den Steuerzahler eine Stange Geld gekostet hat. Aber dies war nur eines der vielen Reinfälle im langen Bauleben Berlins. Heute ist dieses Stück U-Bahn der letzte Teil der U5. Insgesamt hat der U-Bahnhof Bundestag fast 20 Jahre sinnlos unter der Erde gelegen und wurde nur zweckentfremdet genutzt.

90er Jahre – ganz rechts auf dem anderen Ufer war damals die Treppe hinunter in den U-Bahnhof

 

Potsdamer Platz & Sony Center

Der Grund für diesen kleinen Blogbeitrag war ein Besuch des Sony Centers vor ein paar Tagen. Auch eine ehemalige Baustelle, auf der ich “gewirkt” habe. Damals wurde natürlich alles gefeiert: die Bebauung der Berliner Stadtmitte direkt auf der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West mit abhebenden Prognosen. Vor der Coronazeit waren dann auch jährlich ca. 7 Millionen Besucher dort eingetroffen und bestaunten die Stahl-Glas-Konstruktion und ließen sich auf dem Gelände und in den Erlebnisbereichen treiben. Das ging leider nur bei schönem Wetter, denn wenn es kalt und/oder windig war, dann war es vorbei mit Wohlfühlen. Diese “zugige” Ecke war für einen Besuch gut aber nicht für dauerhafte Belebung. Daher hielt sich auch der einheimische Besucherstrom in Grenzen und das Sony Center blühte nie so richtig auf in dem eigentlichen Mittelpunkt.

Sony Center 1999 Stahlkonstruktion über dem Esplanade

 

Anfangs gab es noch viel zu bestaunen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Heimlichtuerei und an das Zugangsverbot zur “Sony Music Box” während des Baus bis ins Jahr 2000. Obwohl ich überall Zugang hatte auf der Baustelle, konnte selbst ich nicht in diese Bereiche hinein. Hier entstand auf 2.400 Quadratmetern ein experimentelles Unterhaltungsareal mit den Attraktionen “Beatles Yellow Submarine Adventure”, “Philharmania”, “360-Grad-Kino”, “World Music” und “Create Music”. Ich kann mich noch genau an die U-Boot-Fahrt auf den beweglichen Sitzen und den 3D-Brillen-Einsatz erinnern und wie ich im Maul eines großen Hais verschwunden bin. In der ersten Zeit musste man lange anstehen und dabei gab es gar keine Bananen 😉

der Innenhof 1999 – eine Großbaustelle

 

Auch die Kinosäle waren sehr cool. Insgesamt existierten 7 Kinos und ein IMAX, damals noch eine Attraktion. Ich war gerne in den Kinos und das ein oder andere Arbeitsessen fand in der Brauereikneipe statt. Der Sony-Store war interessant und das Filmhaus mit Museum musste unbedingt angesehen werden. Genügend Restaurants und sogar ein Hotel – das legendäre Esplanade – waren vorhanden. Auch die abgefahrene Geschickte um den verschobenen Kaisersaal (immerhin 75 Tonnen schwer) machte neugierig und ein Besuch war natürlich möglich. Es war schon was los in der ersten Zeit nach der Eröffnung am 14. Juni 2000. Ja das war ein Fest und alle träumten noch von den neuen “Räumen”, die „in Stil und Funktionsgestaltung auf das 21. Jahrhundert vorgreifen”. Ja es hat Spaß gemacht, wenn es auch sehr anstrengend war und auch ich habe geglaubt, dass sich das ganze Areal zu einem neuen Highlight entwickeln wird.

2024 – der Innenhof ist Baustelle

 

Bilanz Sony Center

Wenn ich heute Bilanz ziehe, dann sehe ich erst einen allmählichen Rückgang, der in letzter Zeit extrem an Fahrt aufgenommen hat. Gerade die Jahre um die Coronazeit und die letzten zwei Jahre wurde noch mal ordentlich Gas gegeben in Richtung Abgrund. Was sieht man heute? Das erste Opfer war die Sony Music Box, die Sony-Zentrale ist wieder ausgezogen, der Hotelbetrieb im Esplanade ist aufgegeben worden, nunmehr gibt es dort nur Eigentumswohnungen und eine zeitlang standen auch die größeren Räumlichkeiten leer. Der Sony-Store ist weg, einige Restaurants fehlen auch. Wenn ich richtig informiert bin, läuft der Mietvertrag des Filmhauses 2025 aus und auch diese Sony-Center-Geschichte geht zu Ende.

Wird es sich lohnen? 2024

 

Wie geht es weiter?

Seit 2023 investieren die Eigentümer nach eigenen Angaben 200 Mio Euro in die Umgestaltung des – Achtung: “Centers am Potsdamer Platz“. Ja umbenennen ist genauso wichtig wie umstrukturieren in Unternehmen und sicher genauso erfolgreich. Aber das nur am Rande. Die leeren Räumlichkeiten des Esplanade und Kaisersaals wurden schon umfunktioniert in einen HiRes-Gourmet-Tempel, der sicherlich nicht für die Masse an neuen Besuchern sorgen wird und deshalb nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Es werden Dinge groß angekündigt – ich hab da ein Déjà-vu – die in etwa so heißen, ich zitiere mal ein paar Stichwörter: “Office Campus”, “New Work”, “Community”, “Street Food”, “Food Hotspot”, “gesunde Snacks”, “Fahrradgarage”, “Nachhaltigkeitsaspekte”, Fitness-Center”, “kostenloses Outdoor-Fitness”, “fast casual”, “Bürolobby-Umgestaltung” usw.

Was wirklich Neues und Interessantes ist da nicht dabei. Wenn ich mir das in mein einfaches deutsch übersetze, heißt das Schnellimbiss und Büros mit besseren Vorräumen, natürlich alles in modern und hip. Plus teures Restaurant. Ich gönne jedem seinen Erfolg aber ich denke, dass wird nicht so einschlagen.

Auch der restliche Potsdamer Platz sah trostlos aus, viele bunter Bilder auf Holzplatten statt Schaufenster in den Verkaufspassagen, was ein untrügliches Zeichen für Downgrading statt Prosperität ist und auch da greifen die Konzepte wohl nicht so richtig. Massenhaft Platz und Leerstand zeigen die Realität ganz deutlich. Wie es in den Büroetagen aussieht, kann ich mir gut vorstellen nach einigen Recherchen in der Branche.

da hilft zur Zeit auch kein Rettungsring…

 

Vielleicht wird das mal ein cooler lost place. Ja ich weiß das ist ein schlechter Witz aber wenn ich mir Berlin so ansehe, dann sehe ich da viel Dunkelheit im Tunnel aber kein Licht. Das heißt natürlich nicht, dass es da in Zukunft keines mehr geben muss. Vielleicht kehrt einfach nur die alte Normalität zurück, die auch ganz nett war. Ich drücke mal die Daumen – hab schließlich fast 20 Jahre in Berlin gelebt und gearbeitet.

 

Der Reichstag wird abgeschottet. Auch so eine unsägliche Geschichte…

März 2024

 

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